Prix Velo Infrastruktur 2016

Pro Velo Schweiz zeichnet 2016 zum fünften Mal wegweisende Infrastrukturprojekte für Velofahrende mit dem „PRIX VELO Infrastruktur“ aus. Eingereicht wurden 39 Projekte aus der ganzen Schweiz. Damit hat sich die Zahl der Eingaben gegenüber der letzten Ausschreibung verdoppelt. Der mit CHF 10'000.- dotierte Hauptpreis geht an die Stadt Luzern mit der Velo-Offensive „Spurwechsel“, Anerkennungspreise gewinnen die Stadt Bulle mit dem Velo-Aktionsplan, der Kanton Tessin mit der Veloverbindung „Vallemaggia“, die Stadt Bern mit der Velohauptroute Wankdorf und die Flims Laax Falera Management AG mit dem touristischen Gesamtkonzept Langsamverkehr.

Dokumentation 2016 (pdf, 15.3 MB)
Medienspiegel
Medienmitteilung vom 20. Mai 2016

 

Stadt Luzern gewinnt Hauptpreis mit Velooffensive „Spurwechsel“

© Agentur Umsicht, Luzern

Mit der Annahme des „Reglements über eine nachhaltige städtische Mobilität“ hat das Luzerner Stimmvolk 2010 Vorgaben für die Mobilitätsplanung verabschiedet und damit auch den Auftrag zur Änderung des Modalsplits zu Gunsten effizienter Verkehrsarten und damit zur Veloförderung erteilt. Unter dem Slogan „Spurwechsel“ startete die Stadt 2012 eine mehrjährige Kampagne. Im Bereich Infrastruktur wurden namentlich Lücken im Velowegnetz geschlossen, bestehende Veloverbindungen sicherer gemacht, Velomassnahmen an Lichtsignalanlagen getroffen und am Bahnhof eine neue Velostation mit 1‘100 Abstellplätzen und direktem Zugang zu den Perrons eröffnet. Allein mit Verbesserungen der Infrastruktur lässt sich jedoch keine neue Velokultur etablieren. So setzte die Stadt Luzern auch auf Dienstleistungen: Es wurde eine vielseitige Webseite mit Informationen rund um das Velo fahren erstellt, an wichtigen Plätzen öffentliche Velopumpen installiert oder Reinigungsdienste in der Velostation angeboten. An zehn Standorten zeigen „Velobarometer“ allen Verkehrsteilnehmenden wie viele Velos täglich und jährlich passieren. Sie tragen auch wichtige Informationen zur Entwicklung des Veloverkehrs bei und dienen als Grundlage für zukünftige Planungen. Last but not least wurde der Öffentlichkeitsarbeit grosse Bedeutung beigemessen: Nebst klassischen Werbemitteln setzte die Stadt fahrende Plakate mit immer neuen Slogans ein, führte Festivitäten und Aktionstage durch, versüsste den Velofahrenden die Fahrt mit „Velo-Schoggitalern“ oder förderte die Nutzung der Leihveloflotte. Eine verwaltungsinterne Sensibilisierung für die Anliegen der Velofahrenden rundete die Kommunikation ab.

Mit dieser überzeugenden Kampagne sichert sich die Stadt Luzern den Hauptpreis. Die Jury lobt insbesondere, dass mit Infrastruktur, Dienstleistungen und Öffentlichkeitsarbeit alle drei Säulen berücksichtigt worden sind und dass nebst grösseren Projekten auch zahllose velofreundliche Details beachtet wurden. Zudem besticht die Kampagne durch gute Grundlagenarbeit und strahlt Lebensfreude und Farbigkeit aus. Wertvoll ist ebenso, dass sie das freundliche Miteinander der verschiedenen Verkehrsgruppen fördert und damit für alle ein angenehmeres Verkehrsklima schafft. Insgesamt ist die Stadt Luzern mit grossem Elan und Überzeugung an der Arbeit und hat eine beeindruckende Vielfalt an Ideen realisiert. Dabei ziehen zahlreiche Fachstellen mit (Bau, Polizei, Personal usw.). Die verwaltungsinterne Kommunikation, welche auch die Stadtangestellten fürs Velo fahren begeistern will, blieb offensichtlich nicht ohne Wirkung: Viele von ihnen nutzen heute die Leihräder von nextbike als Dienstvelos und auch andere Betriebe folgen bereits dem Beispiel. Ein wahrer „Engelskreis“: Je mehr Stadtangestellte mit dem Velo unterwegs sind, desto besser kann Know-how über die Bedürfnisse der Velofahrenden in die tägliche Arbeit einfliessen.

Die Wirkung des grossen Engagement lässt sich – wörtlich – sehen: Sie kann z.B. in der Nutzung der Abstellplätze und Leihvelos sowie an den verschiedenen Zählstellen (auch online) abgelesen werden: Allein in den zwei Jahren seit 2013 hat der Veloverkehr über die ganze Stadt bereits über 10% zugenommen, an einzelnen Stellen sogar über 20%. Die Kampagne war so erfolgreich, dass viele Teile davon zu Daueraufgaben geworden sind. Von den vielfältigen Aktivitäten der Stadt Luzern kann gewiss jede Gemeinde Ermutigung und Inspiration schöpfen.  
 

Projektbeschrieb
Plakat „Einen Gang höher schalten" (Quelle: Agentur Umsicht, Luzern)
Foto Eröffnung Rad- und Fussweg Pfistergasse-Geissmattbrücke (Quelle: Agentur Umsicht, Luzern)
Foto Velobarometer (Quelle: Agentur Umsicht, Luzern)
Foto Velopumpe (Quelle: Agentur Umsicht, Luzern)

Velo-Aktionsplan der Stadt Bulle

© Stadt Bulle

Trotz der 2009 in Betrieb genommenen Umfahrungsstrasse leiden das Zentrum der Stadt Bulle und ihre rund 20‘000 Einwohner unter dem sehr hohen Verkehrsaufkommen. Eine Situationsanalyse zeigte dass der Anteil des Velos am Gesamtverkehr weniger als 2% beträgt und eine überdurchschnittlich hohe Anzahl der Haushalte kein Velo besitzt. Deshalb beschloss die Behörde, dem Missstand mit einem mehrjährigen Velo-Aktionsplan Einhalt bieten und dem Velo den Teppich auszurollen. Dazu setzte der Gemeinderat eine Velo-Kommission ein, der nebst Politikern auch Fachleute und Interessenvertreter angehören. Dabei soll nicht nur die Infrastruktur verbessert werden, es sollten auch Informations- und Begleitmassnahmen zum Zuge kommen, welche die Bevölkerung dazu animieren, ihr Mobilitätsverhalten zu überdenken und sich vermehrt auf das Velo zu setzen. Bereits realisiert wurden bisher Verbesserungen der Infrastruktur wie neue Radwege und -streifen, die Öffnung von Einbahnstrassen für den Veloverkehr, Mischflächen für Fussgänger und Velofahrende sowie neue Abstellplätzen. Weitere Massnahmen wie die Identifikation und Behebung von 15 Brennpunkten, die Verbesserung der Signaletik oder die Schaffung einer Velostation am Bahnhof sind derzeit in Planung begriffen. Als Begleitmassnahme wurde beispielsweise der „VELOguide" produziert, ein Übersichtsplan mit Veloverbindungen. Dieser wurde in den Haushalten und Unternehmen verteilt, an die Neuzuzüger abgegeben und an öffentlichen Schaltern aufgelegt. Des Weiteren werden Aktionen veranstaltet, zum Beispiel in den Schulen, es wird die Schaffung eines Velo-Hauslieferdienstes geprüft und es sind Informationsbeiträge im Gemeindeorgan vorgesehen.

Die Jury anerkennt das sehr konzentrierte, strukturierte und engagierte Vorgehen der Stadt Bulle, welche nicht auf einer langen Velo-Tradition aufbauen konnte, dafür aber ein umso grösseres Potenzial aufwies. Das Beispiel zeigt, wie mit vernünftigem Aufwand und dem geschickten Einsatz bewährter, elementarer Werkzeuge (u.a. BYPAD, www.bypad.org) eine Situation analysiert und ein Massnahmenplan auf die Beine gestellt werden kann. Dabei werden alle drei Säulen berücksichtigt (Infrastruktur, Dienstleistungen und Öffentlichkeitsarbeit). Insgesamt ist dieser Weg nachahmenswert und sicher ermutigend für manch andere mittelgrosse Stadt, die erste Schritte wagen möchte, namentlich in der Romandie und im Tessin, wo es noch nicht so viele inspirierende Beispiele gibt. Wie auch diverse italienische Städte beweisen, ist das Schaffen einer Velokultur nicht nur in nördlicheren Städten möglich.   

Projektbeschrieb (en français)
Foto Veloguide (Quelle: Stadt Bulle)
Foto Radweg (Quelle: Stadt Bulle)

Veloverbindung „Vallemaggia“ des Kantons Tessin

© Kanton Tessin

Der Kanton Tessin punktet mit einer ehrgeizigen Veloverbindung ins Maggiatal. Die Idee, zwischen Locarno und Cavergno im Maggiatal eine Veloroute anzulegen, entstand bereits Ende der 1990-er Jahre im Zuge der Realisierung und Promotion der Marke Veloland Schweiz. Am Projekt beteiligt sind nebst dem federführenden Kanton die direkt betroffenen Gemeinden des Maggiatals, weitere Gemeinden wie Locarno und Ascona, die indirekt von der neuen Veloverbindung profitieren, der Gemeindeverband Maggiatal und die Stiftung Schweiz Mobil. Die mit 40 km beeindruckend lange Route wurde, wo immer möglich, auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse angelegt. Sie führt über historische Passerellen und Brücken, durchquert die Dorfkerne auf traditionsreichen Pfaden abseits der Kantonsstrasse und verbindet Orte von touristischer Bedeutung. Sie ist Teil der Schweiz Mobil Route 31 „Percorso Valle Maggia“ nach Bellinzona. Die Verbindung dient vor allem touristischen Zwecken, aber in mehreren Abschnitten auch dem Alltagsverkehr, namentlich als Schulweg.

Beeindruckt hat die Jury nicht nur die Länge dieser neuen Verbindung, sondern auch die Tatsache, dass dieses grosse Projekt in einem Kanton mit noch geringer Velodichte aufgegleist werden konnte, trotz erschwerenden Rahmenbedingungen wie beispielsweise die hohe Anzahl Akteure, die für das Anliegen gewonnen werden mussten oder die mit über 10 Mio. Franken beträchtlichen Kosten. Die für ein solches Projekt nötige Ausdauer, Fachkenntnis und politische Überzeugungsarbeit verdient besondere Anerkennung.  

Projektbeschrieb (en italien)
Übersichtsplan (Quelle: Kanton Tessin)
Foto Ehemalige Eisenbahnbrücke Valmaggina in Ponte Brolla (Quelle: Kanton Tessin)
Foto Ehemalige Eisenbahn-Passerelle (Quelle: Kanton Tessin)
Foto Neue Velopasserelle (Quelle: Kanton Tessin)

Touristisches Gesamtkonzept Langsamverkehr der Flims Laax Falera Management AG

© Films Laax Falera Management AG

Das hohe Verkehrsaufkommen, die hohen Geschwindigkeiten der Motorfahrzeuge und weitestgehend fehlende Veloinfrastruktur einerseits, sowie Bestrebungen zur Förderung des Sommertourismus und die damit verbundene Zunahme der Anzahl Velofahrenden andererseits, brachten immer mehr Konflikte mit sich. Und Handlungsbedarf. So entschied sich die Region Flims Laax Falera, ein Langsamverkehrskonzept zu erarbeiten, das auch anderen Destinationen als Leitfaden dienen kann. Auf der Basis von definierten Nutzungszonen und Nutzergruppen wurde ein Masterplan Langsamverkehr erstellt und Massnahmen definiert und umgesetzt. Dabei handelte es sich einerseits um Lenkungsmassnahmen zur Koexistenz der verschiedenen Nutzergruppen. So wurden Bikestrecken saniert oder neu gebaut, Unterhalt-Teams aufgebaut (die im Winter im Skitourismus arbeiten), freiwillige zeitliche Beschränkungen für Mountainbiker eingeführt und das Thema Koexistenz in den touristischen Kommunikationsmitteln integriert. Weiter wurde an diversen Brennpunkten die Verkehrsinfrastruktur verbessert. Allen voran die neue Velo- und Fussgängerbrücke Staderas, welche nun eine sichere Querung der gefährlichen Hauptstrasse ermöglicht. Ausserdem wurden Kernfahrbahnen angelegt, E-Bike-Ladestationen installiert und Tempo-30-Zonen sowie Fuss- und Radwege geplant. Pumptracks und Übungspisten laden Gross und Klein zum spielerischen Radeln. Das ist nicht nur eine schöne Freizeitbeschäftigung, sondern unterstützt auch die Velobeherrschung im Alltagsverkehr. Zu guter Letzt wurden bei Behörden und Einheimischen Sensibilisierungskampagnen durchgeführt und Öffentlichkeitsarbeit geleistet. So wurde beispielsweise durch Fördermassnahmen der Kauf von E-Bikes angekurbelt und die Aktion bike to work erfreut sich in der Region einer immer grösseren Beliebtheit.

Mit der Erarbeitung und Umsetzung dieses Konzeptes holt die Flims Laax Falera Management AG einen Anerkennungspreis. Die Jury lobt insbesondere den bunten Strauss von breit angelegten Massnahmen, wodurch die Sicherheit und Attraktivität für den Velo- und Fussverkehr nicht nur in der Freizeit sondern auch im Alltag verbessert und die Koexistenz von Wanderer und Bikern gefördert werden konnte. Die vielfältigen und ideenreichen Massnahmen überzeugten die Jury umso mehr, als sie den Feriengästen, aber ebenso der einheimischen Bevölkerung zugutekommen.  

Projektbeschrieb
Foto Velo- und Fussgängerbrücke Staderas (Quelle: Flims Laax Falera Management AG)
Foto E-Bike-Ladestation (Quelle: Flims Laax Falera Management AG)
Foto Pumptracks

Velohauptroute Wankdorf der Stadt Bern

© Stadt Bern

Die Stadt Bern hat sich das Ziel gesetzt, den Veloanteil am Gesamtverkehr von heute 11% auf 20% im Jahr 2030 zu steigern. Hierzu wurde 2015 auf Beschluss des Gemeinderats die Velo-Offensive gestartet, welche als Strategie (Vision „Velo-Hauptstadt Bern“) und als Programm mit konkreten Massnahmen dieses Ziel erreichen soll. Als zentrales Instrument soll die Infrastruktur für den fahrenden und den ruhenden Veloverkehr schrittweise ausgebaut und optimiert werden. Das Grundgerüst bildet dabei ein Netz an Velo-Hauptrouten, welche die städtischen und regionalen Knotenpunkte verbinden und in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll. Ziel ist die Erstellung eines lückenlosen Velonetzes mit durchgehenden, breiten Radstreifen und Radwegen, koordinierten Lichtsignalanlagen und neuen Über- und Unterführungen. Dabei sollen die Velofahrenden nicht nur sicher, sondern auch zügig ans Ziel kommen. Das Velo ist in der Stadt ja tatsächlich oft die schnellste Variante. Und schliesslich wird das schnelle Vorwärtskommen nebst der gesunden Bewegung in Umfragen als häufigstes Motiv genannt, weshalb im Alltag Velo gefahren wird. Als erste Route dieses Netzes wurde die Verbindung vom Bahnhof zum Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf geplant und projektiert. Die Strecke wird einerseits mit neuen, breiteren Radstreifen und abschnittsweise breiten und baulich separierten Radwegen ergänzt. Dadurch sollen schnelle Velos wie zum Beispiel E-Bikes oder sportliche Fahrer besser überholen können, ohne die gemütlichen Fahrer zu bedrängen. Andererseits wird die Route betrieblich aufgewertet, indem die Lichtsignalanlagen besser aufeinander abgestimmt werden. So können Velofahrende in Spitzenzeiten bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 20 km/h von einer „Grünen Welle" profitieren können, was bei den zahlreichen Ampeln auf dieser Strecke sehr bedeutsam ist.

Für diese exemplarische „Velo-Schnell-Route" als erster Schritt hin zu einem Velo-Hauptrouten-Netz erhält die Stadt Bern einen Anerkennungspreis.    

Projektbeschrieb
Übersichtsplan Veloroutennetz (Quelle: Stadt Bern)
Übersichtsplan Route Wankdorf (Quelle: Stadt Bern)
Visualisierung Nordring: breiter Radstreifen und „Grüne Welle" (Quelle: Stadt Bern)

Jury

Marion Doerfel, Verkehrsbauingenieurin, Professorin für Verkehrswesen, Berner Fachhochschule Architektur Holz und Bau

Cindy Freudenthaler, Velodelegierte der Stadt Lausanne, Direction des Travaux, Service des routes et de la mobilité

Andreas Gubler, Präsident und Geschäftsführer, velosuisse, Verband der Schweizer Fahrradlieferanten

Christoph Masoner, Geschäftsleitung, swissconnect ag

Luzia Meister, Rechtsanwältin, Vizepräsidentin, Stadtschreiberin Grenchen|

Partick Rérat, Professor für Urbangeografie, Université de Lausanne, Institut de géographie & Institut de sociologie

Martin Urwyler, Delegierter Schweiz. Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute VSS, Velokonferenz Schweiz|

Urs Walter, Spartenleiter Veloverkehr, Bundesamt für Strassen ASTRA|